Veröffentlicht am 29. Juli 1999 in Digital, Musik Kommentare deaktiviert

Das Modethema auf den Titelblättern aller Computerzeitschriften ist in diesem Sommerloch ja wieder MP3, als ob dies Thema die sensationelle Neuerung dieses Jahres wäre. Ich will hier gar nicht tiefer auf die Belanglosigkeit all dieser Berichte, teilweise sogar grobe Fehler in Bezug auf die darin steckende Technik, eingehen. Offenbar disqualifizieren sich alle vormals als professionell betrachtete Medien selbst durch unangemessene Testmethoden, wenn denn dann überhaupt darauf eingegangen wird, wie die Beurteilungen zustande kommen. Und die relevanten Fragen zur Zukunft des Online- Musik- Geschäftes werden sowieso nur allzu oberflächlich angekratzt. Da wird auf dem Cover noch mit „So kommen Sie an die MP3s Ihrer Stars“ geworben, finden sich innen wieder nur die üblichen Links zu den legalen Quellen, die zwar haufenweise gute Musik bieten, aber eben so gut wie keine „meiner Stars“. Weil die wären ja illegal. Als gerne verwendete Beispiele gelten höchstens „Public Enemy“ und die „Beastie Boys“, wobei grade diese auch das eigentliche Problem nur zu gut verkörpern. Wurden doch deren erste Versuche, Musik an der Plattenindustrie vorbei im Netz kostenlos zu verbreiten, umgehend unterbunden. Zaghaft bäumen sie sich wieder auf, mit Unveröffentlichtem („Beastie Boys“) oder tatsächlich als Medium zum Verkauf der Musik („Public Enemy“). Aber sie bleiben doch Ausnahmen, weil es der Plattenindustrie so halt nicht gefällt…

Das Problem ist ganz einfach, mit mündigen Kunden ist kein Geschäft zu machen. Oder anders, Geld wird nicht unbedingt mit einzelnen Titeln gemacht, sondern mit Gesamtwerken. Nicht umsonst stiegen die CD-Preise (von Dumping-Angeboten der Chartreißer abgesehen) in den letzten Jahren kontinuierlich. Man könnte böse sagen, verdient wird auch an den Füllern auf der CD, für die bezahlt man ja mit. Könnte sich jeder die Sahnestücke herauspicken und zu seiner Lieblings-CD vereinen, so würde die Kluft zwischen verkaufbarer Musik (hauptsächlich die Bestandteile der Charts) und unter Vertrag befindlicher Künstler immer grösser. Was ja scheinbar ein netter Zug der Plattenindustrie ist. Und darum bleiben dem Internethandel Ladenhüter und Newcomer vorbehalten (so sprach z.B. Dr. Mahlmann von „Emi Music“, aber auch die umfangreichen Bemühungen von „Sony Music“ weisen in diese Richtung), was aber bestimmt kein Weg ist, den illegalen MP3s etwas entgegenzusetzen. Denn grade dort finden sich doch eigentlich nur die aktuellen Titel.

Aber wie könnte ein alternativer Entwurf aussehen? Zwar sind die Widerstände gegen die Erstellung von Benutzerprofilen immer noch sehr groß (ein Thema für sich), doch grade da könnte eine Chance liegen. Lasst den Online-Shop meinen guten Freund sein, der mir zu meiner Auswahl weitere gute Musik empfiehlt. Und je weiter ich meine Auswahl verfeinere, um so genauer trifft er dann meinen Geschmack. Zum einen sicher eine Herausforderung an die Informatiker unter uns, zum anderen bei sinnvoller Anwendung grade auch eine Chance, andere Musik, neue Künstler zu etablieren. Ein schöner Wink in diese Richtung ist z.B. die Rubrik „Kunden, die dieses Buch gekauft haben, haben auch die folgenden Bücher gekauft“ bei „amazon“. Aber das erfordert eine Akzeptanz beim Benutzer, und diese wird sich wohl nur durch moderate Preise (man berücksichtige Preview-, Download- und CD- Herstellungskosten) und ein wirklich umfassendes Angebot erreichen lassen. Guter Service wäre doch ein überzeugendes Argument gegen die eher frustrierenden illegalen Sites, oder?

Atomic pop
„Public Enemy“ für $8 und ein paar eher unbekannte Künstler für lau…

Beastie Boys
Exklusive Remixe gibt es im Gegenzug zur „Launch.com“- Mitgliedschaft, und leider auch im eher mangelhaften neuen „MS Audio“- Format.

Music for the Screemillenium
Legale und gute Stücke der eher in England bekannten „Sunscreem“, angeblich jede Woche bis zum Jahresende ein weiteres.

So long,
Thorsten

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